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Nicht nachgedacht

Nach seinem furiosen Start als Kanzler auf internationaler Bühne ist Friedrich Merz mittlerweile in den trostlosen Ebenen der deutschen Innenpolitik angekommen. Und da rückt nun die Personalie Frauke Brosius-Gersdorf ins Rampenlicht und droht, dem Kanzler den Abgang in die Sommerpause zu verhageln.

Die Sozialdemokraten hatten die Juristin gemeinsam mit dem CDU-Kandidaten Günter Spinner und der zweiten SPD-Nominierten Ann-Katrin Kaufhold als Kandidatin für die heute im Bundestag anberaumte Wahl zur Verfassungsrichterin nominiert. In einer Krisensitzung am Freitagmorgen sprachen sich die Unionsabgeordneten jedoch kurzfristig gegen die Kandidatur von Brosius-Gersdorf aus.

Begründung: Gegen die SPD-Kandidatin seien Plagiatsvorwürfe laut geworden, die ihre Eignung als Verfassungsrichterin infrage stellten. Dies ist insofern überraschend, als dass zuvor vor allem wegen ihrer liberalen Haltung zum Abtreibungsrecht Kritik an Brosius-Gersdorf aus den Reihen der Union laut geworden war.

Bundeskanzler Friedrich Merz und Unionsfraktionschef Jens Spahn. Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg

Rund 60 Unionsabgeordnete sollen gedroht haben, gegen die SPD-Kandidatin zu stimmen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die SPD wiederum Spinner die Unterstützung entzogen hätte. Im schlimmsten Fall hätte dies dazu führen können, dass der CDU-Kandidat nur mit den Stimmen der AfD zum Verfassungsrichter gewählt worden wäre.

Dies wäre der ultimative Albtraum für Kanzler Merz, der wegen seiner früheren gemeinsamen Abstimmung mit der AfD zur Verschärfung des Einwanderungsrechts ohnehin bei diesem Thema unter verschärfter Beobachtung steht. Schließlich wurde die Richterwahl mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen und Linken von der Tagesordnung genommen.

Die Hauptschuld für das Malheur trägt aber einmal mehr Unionsfraktionschef Jens Spahn, der es versäumt hat, diese heikle Konstellation bereits im Vorfeld zu erkennen und zu entschärfen. Jetzt sind alle beschädigt – der Kanzler, die Koalition und die Richterkandidaten.

Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Annika Reichelt, Alexander Kell und Rainer Bürgin: Zollsatz-Vielfalt, Bitcoin-Short-Squeeze, Aufrüstungssorgen, intelligente Strategien und verfluchter Tourismus.

Zollsatz-Vielfalt

Donald Trump hat Strafzölle von 35% auf ausgewählte kanadische Waren angedroht und will den Großteil der US-Handelspartner mit pauschalen Abgaben belegen. Im Interview mit NBC News erklärte der US-Präsident gestern: “Wir werden einfach sagen, dass alle übrigen Länder zahlen – ob es 20% oder 15% sind, klären wir noch.” Die Mitglieder der Europäischen Union sowie Kanada sollten in Kürze über die neuen Zollsätze informiert werden. “Ich möchte das heute tun”, sagte Trump in der Nacht zum Freitag europäischer Zeit. Die Schreiben würden in den nächsten Stunden verschickt. In Aussicht gestellt hat er auch eine “bedeutende Erklärung” zu Russland am Montag, über dessen eskalierende Angriffe auf Kiew er sich wiederholt frustriert gezeigt hat. Der Senat, so betonte er, werde ein verschärftes Sanktionspaket gegen Moskau verabschieden und es hänge “vom Präsidenten ab, ob er es nutzen möchte oder nicht.” Waffen sollen der Ukraine nun doch weiter geliefert werden, jedoch nach neuem Schema: “Die Waffen gehen an die Nato, dann gibt die Nato diese Waffen weiter – und die Nato zahlt dafür”, so Trump. “Die Nato bezahlt diese Waffen zu 100%.”

Bitcoin-Short-Squeeze

Nach dem Bitcoin-Rekordhoch bei 112.000 Dollar Mitte Mai haben Anleger offenbar in einem solchen Maße auf fallende Preise gewettet, dass es am Markt nun zu einem sogenannten Short Squeeze gekommen ist. Steigen die Notierungen unerwartet, geraten die Bären dabei immer tiefer ins Minus — und wer auf Kredit gekauft hat, wird nachschusspflichtig oder muss seine Wetten auflösen. Laut Daten des Marktbeobachters Coinglass wurden binnen gut 24 Stunden Short-Wetten im Wert von über einer Milliarde Dollar liquidiert. Anleger strömten in Bitcoin-ETFs und investierten am Donnerstag netto 1,2 Milliarden Dollar. Für die weltgrößte Kryptowährung ging es vor diesem Hintergrund gestern 2,6% aufwärts und heute zeitweise fast 5% auf bis zu 118.476 Dollar. Der Ethereum-Preis klettert heute mehr als 7%. Der Ripple-Coin, der vor der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten noch bei 0,50 Dollar notierte, setzte seine jüngste Erholung mit einem Plus von 4% auf 2,58 Dollar fort. Das XRP-Allzeithoch von Mitte Januar lag bei 3,40 Dollar.

Aufrüstungssorgen

Eines der größten Rüstungsprojekte der Bundeswehr verzögert sich: Die Lieferung von sechs Mehrzweck-Fregatten vom Typ F126 verschiebt sich wegen IT-Problemen beim niederländischen Hauptauftragnehmer Damen Naval. Grund seien Schnittstellenprobleme in der Design- und Fertigungssoftware. Der Auftrag hat ein Volumen von knapp neun Milliarden Euro. Die Bundesregierung steht mit den niederländischen Behörden im Austausch, doch Zeitpläne oder Mehrkosten bleiben unklar. Die Schiffe sollten ab 2028 geliefert werden und sollen Ziele über und unter Wasser bekämpfen können. Mit 170 Metern Länge wird die F126 das größte Kampfschiff der deutschen Marine und spielt eine zentrale Rolle in Europas Verteidigungsstrategie. Unterdessen hat das Joint Venture von Rheinmetall und dem italienischen Konzern Leonardo laut Insidern das niedrigste Gebot für die Verteidigungssparte der Turiner Iveco Group abgegeben – rund 1,6 Milliarden Euro inklusive Schulden. Politisch gilt das Konsortium dennoch als Favorit, da Rom die Sparte in italienischer Hand halten will. Eine Entscheidung über Verkauf oder Abspaltung soll in den kommenden Wochen fallen, hieß es.

Intelligente Strategien

Die chinesische Provinz Xinjiang verfügt über reichhaltige Kohlevorkommen und bietet gute Voraussetzungen für Wind- und Sonnenenergie — ein kostengünstiger Energiemix. Zusammen mit niedrigen Grundstückspreisen und einem kühlen Klima am Rande der Wüste Gobi sind das beste Rahmenbedingungen für die riesigen KI-Rechenzentren, die China an die Spitze der künstlichen Intelligenz katapultieren sollen. Was aber hat Lübbenau im Spreewald? Dort baut die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, auf einem alten Kraftwerksgelände ein Rechenzentrum, das zu einer KI-“Gigafabrik” werden soll — unter Rückgriff auf milliardenschwere EU-Subventionen. Kreisen zufolge will die Gruppe von Milliardär Dieter Schwarz der Bundesregierung bereits heute ein Investitionsvorhaben im Milliardenbereich vorlegen. Bundesdigitalminister Karsten Wildberger trifft im Tagesverlauf Vertreter führender Unternehmen, um über “digitale Souveränität” zu sprechen. Die Schwarz-Gruppe, die Deutsche Telekom und SAP sind dabei, wie aus einer Einladung hervorgeht, die Bloomberg vorliegt. Frühere Versuche der Schwarz-Gruppe, mit Partnern in das margenstärkere KI-Geschäft zu expandieren, waren gescheitert.

Verfluchter Tourismus

In ganz Europa regt sich in diesem Sommer heftiger Widerstand gegen den Massentourismus: In Barcelona spritzen Einheimische Touristen mit Wasserpistolen nass, in Mallorca und Genua demonstrieren Tausende gegen Kreuzfahrten und den Übertourismus. Auch in Paris und Venedig kommt es zu Protesten – nicht zuletzt wegen der pompösen Mega-Hochzeit von Amazon-Chef Jeff Bezos. Der Auslöser: Mit 756 Millionen Reisenden im Jahr 2024 – 46 Millionen mehr als im Vorjahr – stößt Europas Tourismus an seine Grenzen. Besonders drastisch zeigt sich das in Paris, wo 2024 rund 400.000 Touristen pro Quadratkilometer gezählt wurden – zwanzigmal so viele wie Einheimische. Die Folgen: überfüllte Straßen, steigende Mieten, Umweltprobleme, Wohnungsknappheit und der Verlust lokaler Infrastruktur. Plattformen wie Airbnb stehen besonders in der Kritik. Zwar versuchen Städte gegenzusteuern — mit Vermietungsobergrenzen, Tourismussteuern oder Hotelneubau-Stopps — doch echte Entlastung bleibt aus. Denn gleichzeitig profitieren die Badeorte, Skigebiete oder historischen Städte wirtschaftlich enorm vom Tourismus — eine echte Reduzierung scheint politisch daher kaum durchsetzbar. 

Was sonst noch so passiert ist:

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