Beim jüngsten EU-Gipfel war zu besichtigen, wie sehr sich die Stimmung beim Thema Migration in Europa gedreht hat. Einst war es die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit ihrer “Wir schaffen das”-Rhetorik die Akzente setzte. Inzwischen gibt die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Sachen Migration den Ton an, und der klingt ganz anders. Auch Meloni sagt “Wir schaffen das” — aber damit meint sie nicht die Integration von Flüchtlingen, sondern deren schnelle Abschiebung. Dafür hat sie jetzt in Albanien das erste Lager errichten lassen, aus dem abgelehnte Asylbewerber so schnell wie möglich zurückgeschickt werden sollen. Pünktlich zum EU-Gipfel am Donnerstag sind dort die ersten 16 (!) Asylbewerber angekommen. Gleichzeitig lud Meloni in Brüssel zum Frühstück, um ihren europäischen Amtskollegen zu erklären, wie man das mit den Flüchtlingen wirklich schafft. Viele kamen. Neben den Regierungschefs aus Dänemark, den Niederlanden, Polen, Griechenland, Österreich, der Slowakei, Tschechien, Malta und Zypern nahm zur allgemeinen Überraschung auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an der migrationspolitischen Lehrstunde teil. Der deutsche Bundeskanzler fehlte. Im Vorfeld hatte Olaf Scholz selbst mit einer Teilnahme geliebäugelt. Auch er hat die migrationspolitische Wende von Merkel zu Meloni längst mitgemacht. Doch offenbar entschied man sich im Kanzleramt dann doch gegen das Treffen mit der einst als Postfaschistin titulierten italienischen Regierungschefin. Ein Aufnahmezentrum für Migranten am Hafen von Shengjin, Albanien. Foto: Adnan Beci/Getty Images Bilder von Scholz als Musterschüler Melonis hätten daheim in Berlin die ohnehin angespannte Stimmung bei Grünen und SPD-Linken weiter angeheizt und möglicherweise die Koalitionsmehrheit bei der Abstimmung über das Sicherheitspaket am Freitag gefährdet. Zugleich machte Scholz in Brüssel deutlich, dass Deutschland beim Thema Zuwanderung inzwischen den soften Merkel-Kurs verlassen hat. Bei der Umsetzung der EU-Asylreform drückte der Kanzler demonstrativ auf die Tube. Es sei ihm wichtig, dass die Vereinbarung der 27 EU-Staaten “nicht nur allmählich umgesetzt wird, sondern forciert”, sagte er in Brüssel. Zugleich machte Scholz allerdings klar, dass er von Melonis Albanien-Camp wenig hält. Nicht etwa, weil er es für möglicherweise inhuman oder rechtlich bedenklich hält, sondern vielmehr weil er dessen Effizienz bezweifelt. “Konzepte, die ganz wenige, kleine Tropfen darstellen, wenn man die Zahlen anguckt,” seien “für ein so großes Land wie Deutschland nicht wirklich die Lösung”, so Scholz. Lesen Sie auch eine Auswahl unserer Top-Artikel dieser Woche: Götterdämmerung in China, Büro-Comeback, Kaufoptionen in München, Ex-Berenberger Milliarden-Manager, und Deka gewährt mehr Urlaub. |