Five Things: Germany
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Craig Stirling und Christoph Rauwald über mangelnde Nachhaltigkeit — Abonnieren Sie unseren Newsletter Fünf Themen des Tages und erhalten Sie sonntags das Hauptstadtgeflüster direkt in Ihre Mailbox.

Wer soll das bezahlen?

Noch bevor die Finanzminister der IWF-Mitgliedsländer ihre Flieger zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Washington besteigen, erreichen sie bereits Appelle, den Gurt doch bitte etwas enger zu schnallen. Bei dem Treffen in der US-Hauptstadt geht es diese Woche — im Vorfeld der wegweisenden Präsidentschaftswahlen am 5. November — unter anderem um die wachsenden Schuldenberge.

Am Mittwoch dürfte der Fiscal Monitor des IWF die Warnung aussprechen, dass die globale Staatsverschuldung in diesem Jahr auf sagenhafte 100 Billionen Dollar steigen wird. Vor allem China und die USA treiben diese Entwicklung voran. Der IWF wies bereits letzte Woche darauf hin, dass der wachsende Schuldenberg nicht nur für die Staaten selbst, sondern auch für alle Handelspartner weltweit ein Problem darstellt.

Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt, auch wenn noch niemand sagen kann, wann. Doch anstatt sich für ein mögliches Krisenszenario zu wappnen, geben die Staaten gerade in Wahlzeiten fleißig Geld aus. Denn mit Ausgabenkürzungen und Sparprogrammen lassen sich Wähler kaum begeistern.

Da hilft es, wenn man Elon Musk heißt und der reichste Mann der Welt ist. Bei einer Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump in Pennsylvania soll er angekündigt haben, jeden Tag eine Million Dollar an Bürger zu verlosen, die seine Petition für Redefreiheit und das Recht, eine Waffe zu tragen, unterzeichnen. Das hilft zwar nicht, die gigantische Staatsverschuldung der USA zu reduzieren, sorgt aber für gute Stimmung unter Trumps Anhängern.

Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Alexander Kell, Rainer Bürgin, Verena Sepp und Annika Reichelt: Bonitätsrealitäten, keine grünen Aussichten, Gipfelstürmer, gegen den Trend, und spätrömische Dekadenz.

Bonitätsrealitäten

Zum Start der neuen Woche überwiegt bei Frankreich-Bonds wie am breiten europäischen Staatsanleihemarkt deutlich das Verkaufsinteresse, nachdem Scope das Rating des Landes von AA auf AA- gesenkt hat. Die Bonitätswächter verwiesen dabei auf die “anhaltende Verschlechterung der öffentlichen Finanzen und die schwierigen politischen Aussichten”. Fitch indessen hat den Ratingausblick Italiens auf “positiv” angehoben angesichts einer jüngst stärkeren Fiskalentwicklung und des Bekenntnisses Roms zu den Budgetregeln der EU. In den USA hat die Zinslast des Staates inzwischen den höchsten Stand seit 1996 erreicht. Im Haushaltsjahr bis September wurden $882 Milliarden fällig. Das entspricht $2,4 Mrd täglich und 3,1% der Wirtschaftsleistung. T. Rowe Price rechnet mit einem Wertverfall von US-Staatspapieren, der die Rendite zehnjähriger Treasuries auf Sicht von sechs Monaten die 5%-Marke testen lässt. Derzeit liegt sie bei 4,09%.

Keine grünen Aussichten

Trotz umfangreicher grüner Konjunkturpakete in den USA, Europa und China wetten Hedgefonds massiv auf eine Zukunft ohne grüne Technologien. In den Schlüsselsektoren Batterien, Solarenergie, Elektrofahrzeuge und Wasserstoff haben durchschnittlich mehr Hedgefonds Short-Positionen als Long-Positionen aufgebaut. Gleichzeitig ist die Anzahl der Fonds, die auf fossile Brennstoffe setzen, höher, als die solcher, die Öl, Gas und Kohle shorten. Das geht aus einer von Bloomberg News durchgeführten Analyse von Positionen hervor. Laut Managern der Hedgefonds-Branche liegt der Grund auf der Hand: Trotz der Versprechungen seien Aktien für saubere Energie und grüne Technologien weit hinter dem breiteren Markt zurückgeblieben. “Geopolitik ist der Hauptgrund dafür, dass die Energiewende nicht funktioniert”, sagt Kerry Goh, CEO von Kamet Capital. Währenddessen fordert die UBS Kreisen zufolge ihre Banker auf, die Art und Weise zu überdenken, wie sie in der Öffentlichkeit über einige Nachhaltigkeits-Produkte sprechen. Die Leitlinien bei der UBS sollen sicherstellen, dass die Bank nicht des Greenwashings beschuldigt wird oder den Eindruck erweckt, sich nicht an neue Vorschriften zu halten, ist zu hören.

Gipfelstürmer

Nachdem Gold vergangene Woche erstmals die Marke von $2.700 überwunden hat, geht die Rekordrally in dieser Woche weiter. Angesichts der Besorgnis mit Blick auf den Nahen Osten und die heranrückenden Wahlen in den USA kostete die Unze heute in der Spitze knapp $2.733 und damit 0,4% mehr als am Freitagabend. An der Börse waren die Titel von Minenbetreibern wie Fresnillo (+4%) und Gold Fields (+2,6%) gesucht. Die Commonwealth Bank of Australia sieht den Bullionpreis im Schlussquartal 2025 auf $3.000 je Unze anziehen. Hedgefonds haben ihre Wetten auf Preisanstiege bei Gold und auch Silber ausgebaut. Im bisherigen Jahresverlauf hat Gold 32% zugelegt, Silber 43% — und Bitcoin 63%. Die Notierung der bedeutendsten Kryptowährung flirtet inzwischen wieder mit der $70.000 Marke. Das Rekordhoch vom März lag bei $73.798. Der Frankfurter Datenzentren-Betreiber Northern Data kündigte derweil an, sich im Rahmen seiner KI-Strategie womöglich von seinem Krypto-Mining-Geschäft trennen zu wollen. 

Gegen den Trend

“Wir sind gekommen, um zu bleiben, unabhängig vom Hype”, sagte Belen Garijo gegenüber Bloomberg. “Hypes gibt es immer.” Damit begründet die Chefin des Darmstädter Pharma- und Chemieriesen Merck ihren Standpunkt, sich nicht der branchenweiten Jagd nach Medikamenten gegen Fettleibigkeit anzuschließen. Die gebürtige Spanierin und einstige Ärztin übernahm die Konzernleitung mit dem Rückenwind der Pandemie und trieb die Aktie im Jahr 2021 auf ein Allzeithoch. Seitdem ist das Papier um etwa 30% abgestürzt. Garijo hält dennoch an ihrer Strategie fest, den Konzern im Bereich Onkologie und Immunologie zu stärken und neu zu positionieren. Dabei setzt sie weiterhin auf die drei Geschäftsbereiche Life Science, Gesundheitswesen und Elektronik, da wichtige Synergien zwischen ihnen bestünden. “Ich mag es nicht, als Mischkonzern bezeichnet zu werden, denn das sind wir nicht. Wir sind mehr als die Summe der einzelnen Teile.” Als erste weibliche Führungskraft eines Dax-Unternehmens (inzwischen hat auch Daimler Truck eine Frau an der Spitze) setzt sich Garijo außerdem für Vielfalt und insbesondere Inklusion ein.

Spätrömische Dekadenz

Sören Fricke will Freitags nicht mehr arbeiten. Der von ihm mitgegründete Eventplaner Solidsense (“Wir übersetzen Ideen in emotionale Räume”) hat als eines von 45 Unternehmen an einem sechsmonatigen Testlauf zur Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich teilgenommen. Durchgeführt wurde der Feldversuch von der Freizeit-Lobbygruppe 4 Day Week Global und der Berliner Unternehmensberatung Intraprenör. Die Ergebnisse sind kaum überraschend: Weniger Arbeit verbesserte die körperliche Gesundheit und das psychische Wohlbefinden. Und angesichts des vollen Lohnausgleichs gaben 70% der Unternehmen an, dass die Rekrutierung von Arbeitskräften nach der Umstellung einfacher war. Bei Solidsense wurden unnötige Besprechungen gestrichen und künstliche Intelligenz wird eingesetzt, um Routineaufgaben zu erledigen. Statt aber den “dramatischen” Produktivitätsgewinn anderweitig zu verwenden, soll nach dem Wunsch des gesamten Teams lieber weiter weniger gearbeitet werden — wie bei 73% der teilnehmenden Firmen. Appelle wie die von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing und Allianz-CEO Oliver Bäte, die rezessionsgeplagte Wirtschaft durch Mehrarbeit anzukurbeln, verpuffen offensichtlich. 

Was sonst noch so passiert ist: