Five Things: Germany
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Nicht auch noch ein Handelskrieg

Eigentlich haben die Zentralbanken in Europa schon genug Sorgen. Doch zwei Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen müssen sie sich auch noch den Kopf darüber zerbrechen, welchen Schaden Donald Trump anrichten könnte, sollte er erneut ins Weiße Haus einziehen. Die Hauptsorge auf dieser Seite des Atlantiks gilt der Idee, Zölle auf alle Importe in die USA zu erheben und damit den offenen Handel, von dem Europa lange gut gelebt hat, weiter zu beschädigen.

Im Gegensatz zu 2017, als Trump zum ersten Mal vereidigt wurde, ist die Wirtschaft in der Eurozone und den umliegenden Ländern auch in einem viel schwächeren Zustand. Damals tobte kein Krieg in der Ukraine, die Inflation war niedrig und die Schuldenberge der Regierungen kleiner. Im aktuellen Umfeld ist davon auszugehen, dass allein die Drohung der USA, die Zölle zu erhöhen, zu einer erheblichen Verunsicherung bei Unternehmen und Verbrauchern führen würde. Dabei waren die derzeit mauen Investitionen und der siechende Konsum für die Europäische Zentralbank schon letzte Woche Grund genug, eine Zinssenkung vorzuziehen.

Die Notenbanker sind entsprechend alarmiert. Erik Thedéen, Gouverneur der schwedischen Riksbank, warnt vor neuen Handelsbarrieren und Bundesbankpräsident Joachim Nagel sagte kürzlich in einer Rede, dass ein Wahlsieg Trumps zu spürbaren wirtschaftlichen Einbußen in der Eurozone führen könnte. Sollte es tatsächlich so weit kommen, könnten sie und ihre Kollegen gefragt sein: Immerhin bieten die immer noch relativ hohen Zinsen den Europäern eine unmittelbare Handlungsoption.

Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Stephan Kahl, Annika Reichelt, Rainer Bürgin, Alexander Kell und Verena Sepp: Autokrise, Schluck aus der Pulle, SAP jubelt, getrennte Wege, und reiche Phantome.

Autokrise

Der Automobilabsatz in Europa ist im September um weitere 4,2% gesunken, womit es erstmals seit über zwei Jahren zwei Monate in Folge abwärts ging. Steigende Verkaufszahlen bei E-Autos reichten nicht aus, um die Rückgänge bei Verbrennern aufzuwiegen. “Die Branche befindet sich weiterhin im Krisenmodus”, konstatiert Constantin Gall von EY mit Blick auf die vom Branchenverband Acea vorgelegten Zahlen. “Zum Jahresende hin gibt es keine positiven Impulse – die Wirtschaft schwächelt, die erheblichen geopolitischen Spannungen lassen nicht nach und dies sorgt bei Privat- und Geschäftskunden für Unsicherheit.” Einem Verkaufszahlenplus von 5,1% bei BMW und 1% bei VW stand ein Einbruch von 26% bei der Fiat- und Opel-Mutter Stellantis gegenüber. Der Absatz von Mercedes sank 2,9%. Tesla indessen verzeichnete ein Plus von knapp 30%. Überraschend kamen die Zahlen nicht, die europäischen Autoaktien tendierten minimal fester. Deutlich stärker an der Börse zeigte sich der E-Auto-Sektor Chinas angesichts eines laut Citigroup “erfreulichen” dortigen Absatztrends.

Schluck aus der Pulle

“Wir müssen gemeinsam rauskommen aus dieser unguten Lage.” So lautete der heutige Appell von Bundeskanzler Olaf Scholz an die Arbeitgeber bei deren Verbandstag 2024 in Berlin. “Der Kuchen muss wieder größer werden! Und zwar für alle!” Zunächst sollen aber nach dem Wunsch des Sozialdemokraten die Arbeitnehmer am untersten Rand der Lohnskala ein größeres Stück von einem Kuchen bekommen, der gegenwärtig eben nicht wächst. Scholz fordert mehr Mindestlohn — der das Ergebnis der Arbeit einer paritätisch besetzten, unabhängigen Kommission sein soll, in die sich die Politik im Sinne der Tarifautonomie nicht einmischt. Im letzten Bundestagswahlkampf lockte die SPD bereits mit einem größeren Schluck aus der Mindestlohn-Pulle, und nun tut Scholz es wieder. Ansonsten soll Zuwanderung den Fachkräftemangel der Unternehmen lindern: “Wir brauchen viele, viele kluge und kreative Köpfe und tüchtige, zupackende Hände – so viele, wie wir nur irgend gewinnen können für uns hier in Deutschland!” Scholz reist diese Woche mit seinem Kabinett und einer großen Wirtschaftsdelegation nach Indien, um unter anderem für die Einwanderung nach Deutschland zu werben.

SAP jubelt

In Walldorf dürften heute die Korken knallen. Der Softwareriese SAP vermeldete am Montag nach Börsenschluss eine Steigerung seines Cloud-Umsatzes gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel auf 4,35 Milliarden Euro. Wenig überraschend surft auch SAP auf der KI-Welle, etwa 30% der Cloud-Vertragsabschlüsse im dritten Quartal hätten KI-Anwendungsszenarien beinhaltet. Das Management hob den Jahresausblick für die Cloud- und Softwareerlöse an. Das Papier legte in der Spitze um knapp 6% zu, seit Jahresbeginn hangelte sich die Aktie um fast 60% nach oben. Im Januar war ein Restrukturierungsprogramm angekündigt worden, wovon bis zu 10.000 Stellen betroffen sein werden. Auch bei der VW-Tochter Traton ging es zeitweise über 5% bergauf, nachdem der Lkw-Hersteller mit seinen vorläufigen Q3-Ergebnissen die Erwartungen übertreffen konnte. Laut Morgan-Stanley-Analyst Shaqeal Kirunda stützt das seine Ansicht, dass die Nachfrage nach Lastwagen derzeit floriert. Marktunsicherheiten veranlassten hingegen das Tech-Unternehmen Bechtle, seinen vorläufigen Ausblick für das Jahr zurückzuschrauben.

Getrennte Wege

Das Geschäft der Allianz im Wachstumsmarkt Asien produziert in diesen Tagen viele Schlagzeilen. So erwägt das Unternehmen unter anderem, sich aus zwei indischen Joint Ventures mit Bajaj Finserv zurückzuziehen. Ein entsprechender Bericht von Bloomberg wurde von Bajaj Finserv am Dienstag bestätigt, die Allianz selbst wollte sich dazu nicht äußern. Den Bloomberg-Informationen zufolge erwägen die Deutschen nun stattdessen, Anteile an neu gegründeten Versicherungsunternehmen zu kaufen, um in dem schnell wachsenden südasiatischen Land präsent zu bleiben. Erst im Sommer hatten die Deutschen dem Versicherer Income Insurance aus Singapur eine Offerte zum Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung vorgelegt. Geplant war ein Anteil von mindestens 51%. In diesem Fall wurde das Vorhaben von der Regierung in Singapur allerdings geblockt, zumindest vorerst.

Reiche Phantome

Die deutsche Wirtschaft steht vor massiven strukturellen Herausforderungen und einem zweiten Jahr der Schrumpfung. Vor allem die negative Haltung der Deutschen gegenüber Geld und Reichtum bremst die Wirtschaft dabei nur noch mehr, meint Bloomberg-Kolumnist Chris Bryant. Es sei an der Zeit, dass Deutschlands Superreiche aus dem Schatten treten und mehr Menschen dazu inspirieren, ein Unternehmen zu gründen — und Geld zu verdienen. Fleiß und Unternehmergeist trugen zum Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit bei. Heutzutage würden viele lieber ihre Arbeitszeit reduzieren, und das Interesse an Unternehmensgründungen ist auf einem Rekordtief. Man könne es den Deutschen aber nicht verübeln, dass sie keine unternehmerischen Risiken eingehen wollen, wenn die Reichen im öffentlichen Leben kaum präsent sind. Dabei gibt es hierzulande fast 250 Milliardäre, schätzt das Manager Magazin. Während Bill Gates und Warren Buffett im US-Wirtschaftsfernsehen für Kapitalismus werben, sind viele unserer Milliardäre nahezu unbekannt. Dabei hänge Deutschlands Wohlstand davon ab, mehr Leistungsträger wie diese zu fördern. Wir Deutsche sollten uns den Ehrgeiz und Respekt der USA für die Schaffung von Wohlstand zu eigen machen, ohne den Sozialstaat zu opfern – oder unsere Seele.

Was sonst noch so passiert ist: